Zu meinem Beruf gehört es, mit meiner Kundschaft eine schöne Bürobegrünung zu entwickeln und umzusetzen. Meist sitze ich dabei kreativen Personen oder Menschen aus der Büroorganisation oder dem Einkauf gegenüber. Am Ende gibt es noch die Geschäftsführung, die alles absegnet.
Aber was ist mit den Menschen, die später mit den Pflanzen leben und arbeiten? Sie erleben die Pflanzen aus einer anderen Perspektive, anders als ich, wenn ich als Besucher das Büro betrete. Sie erleben die Pflanzen vom Arbeitsplatz aus, dabei spielen z.B. Sichtbeziehungen und Sichtschutz, Platzanspruch usw. eine große Rolle. Und jeder und jede bringt andere Assoziationen, Vorlieben und Erfahrungen mit Zimmerpflanzen mit. Sicherlich kann man es nicht allen recht machen, dazu sind die Vorstellungen und Erwartungshaltungen zu unterschiedlich. Man kann es aber versuchen! An so einem Projekt konnte ich nun teilhaben.
Wir entwickelten dazu für ein Unternehmen eine gut skalierbare Begrünung mit verschiedenen „Bausteinen“, die wir als Pilot in einigen Arbeitsflächen aufstellten. Von einem engagierten Projektteam wurden dann alle Mitarbeitenden gebeten, sich zu den neuen grünen Kolleginnen, den Pflanzen, zu äußern und Fragen zu stellen. Und das taten sie auch! Der Plan war, die Auswertung dieser Rückmeldungen in eine Überarbeitung der Begrünung fließen zu lassen und dann erste größere Bestellungen auszulösen.
Ich möchte in diesem Artikel auf grundsätzliche Fragen zur Bürobegrünung eingehen und Aufklärungsarbeit leisten. Ich erhoffe mir damit mehr Verständnis für mich als Bürobegrüner, der ja „immer nur dieselben, langweiligen Pflanzen“ anbietet.

Frage 1: Warum immer dieselben bekannten Pflanzen?
Der Kreis der Pflanzen, der im Büro langfristig gedeihen kann, ist nicht groß. Es gibt eine ganze Reihe von Anforderungen, denen die Pflanzen gerecht werden müssen und nur ein auserwählter Kreis besteht diese harten Prüfungen.
1. Prüfung: Die Temperatur.
Die Pflanze muss die durchweg gleichbleibenden Temperaturen im Innenraum mögen. Damit fallen alle Pflanzen durch, die einen Jahreszeitenwechsel kennen und nur Vertreter aus den Tropen bestehen diese Prüfung, da es in ihrer Heimat keine Jahreszeiten und nur wenige Temperaturschwankungen gibt.
2. Prüfung: Das Licht.
Die Pflanze muss mit den Lichtbedingungen im Innenraum zurechtkommen. Ein bewölkter Tag hat etwa 20.000 Lux, ein Sonnentag hat bis zu 100.000 Lux. Ein Arbeitsplatz hat nach Vorgabe 500 Lux und die Zimmerecke oder Mittelzone meist deutlich weniger. Damit muss die Pflanze zurechtkommen und nur einige wenige Pflanzen können das. Damit verringert sich der Kreis weiter. Lichtverwöhnte Pflanzen wie. z.B. Kakteen fallen hier sofort durch.
3. Prüfung: Die Luftfeuchte.
Im Innenraum herrscht häufig schwankende Luftfeuchtigkeit. Gerade im Winter ist die Luftfeuchte in Büroräumen mit einer vorgegebenen Luftwechselrate sehr niedrig, während sie im Sommer ok ist. Wir wollen keine Pflanzen, die im Sommer gut aussehen und im Winter braune Blattränder bekommen. Damit scheiden wieder einige Pflanzen aus, die häufig besonders dekorative Blätter haben.
4. Prüfung: Der Wasserbedarf.
Eine Bürobegrünung wird in der Regel alle 2 Wochen gegossen. Die Pflanzen erhalten einen Wasservorrat für zwei Wochen, den sie komplett verbrauchen, bevor sie erneut gegossen werden. Pflanzen, die dieses kurzzeitige Antrocknen nicht mögen, wie z.B. Farne, scheiden hier aus (wenn sie nicht bereits in der Luftfeuchtigkeitsprüfung durchgefallen sind).
5. Prüfung: Die Büroeignung.
Die Pflanzen müssen eine „Büroqualität“ aufweisen. Das heißt z.B., einen stabilen Wuchs haben, also kein Gewächs, das nach kurzer Zeit auseinanderfällt und mit vielen Stäben und Schnüren gestützt oder zusammengebunden werden muss. Da der Platz begrenzt ist, muss die Pflanze einen Rückschnitt gut vertragen und die Anfälligkeit für Schädlinge sollte möglichst gering sein. Damit scheiden wieder viele Pflanzen aus, die zuhause, mit etwas mehr individueller Zuwendung, durchaus gut gedeihen können.
Unter den ersten Siegern dieses strengen Prüfungsverfahrens finden sind die alten Bekannten, Vertreter der Gattung Ficus, Drachenbaum, Kolbenfaden, Strahlenaralie und Efeutute (dicht gefolgt von einigen anderen, meist ebenso bekannten Gattungen). Sie sind die „Langstreckenläufer“ unter den Zimmerpflanzen. Exotisch wirkende Philodendron- oder Calathea-Arten und -Pflanzen mit zarten Blättern wie Bambus, aber auch die sogenannten „Prima Klima Pflanzen“ wie Zyperngras, Bananenstauden und Zimmerlinde, fallen schon bei den ersten Prüfungen durch.
Das alles sind Gründe, die zur Auswahl der Pflanzen in Ihrem Büro geführt haben.
Fazit
Wir denken nachhaltig und möchten lange Freude an unseren Pflanzen haben. Das erreichen wir, in dem wir die Ansprüche der Pflanze respektieren und nur solche in unsere Büros holen, die dort auch sicher gedeihen können.

Frage 2: Warum nicht andere Gefäße?
Das Gefäß oder der Topf ist das „Zuhause“ der Pflanze. Es muss den Wurzeln genügend Raum und Halt bieten. Dabei muss es auch noch technische Eigenschaften erfüllen und zum Design passen. Hier die Kriterien, die bei der Wahl eines Gefäßes beachtet werden sollten:
1. Kriterium: Die Größe und speziell die Höhe.
Damit eine Büropflanze in einem Gefäß gedeihen kann, darf es nicht zu klein und zu flach sein. Ist ein Gefäß zu flach, drückt sich die Pflanze mit ihren Wurzeln nach oben und will aus dem Gefäß „aussteigen“. Ist ein Gefäß zu klein, leidet die Pflanze wie ein Mensch mit zu engen Schuhen.
Bei zu flachen Gefäßen bleibt nicht genügend Raum für den Wasservorrat unten im Gefäß. Steht das Wasser zu hoch, faulen die Wurzeln, das Wasser verdunstet an der Oberfläche des Substrates und hinterlässt schimmelartige, weiße Salzränder.
Gut ist eine Mindesthöhe von 22-25 cm, dieses Maß stammt aus der Hydrokultur und hat sich seit 1960 bewährt. Das ist der Grund, warum z.B. Sideboard Gefäße nicht flacher als 25 cm sein sollten.
2. Kriterium: Das Material.
Neben den optischen Eigenschaften sollte das Gefäß natürlich wasserdicht sein. Wir haben aber auch noch den Anspruch, dass es nachhaltig ist. Unsere Gefäße bestehen zu 100% aus Recyclingmaterial und können am Lebensende wieder zu 100% recycelt werden. Dies trifft auf viele „trendige“ Gefäße z.B. in Beton- oder Steinoptik nicht zu. Meist bestehen diese aus Verbundmaterialien, die nicht recycelbar sind oder biologisch abgebaut werden können.
3. Kriterium: Die Optik.
Wir sind der Meinung, dass die Pflanze gerade im Büro Hauptdarstellerin sein sollte, denn von ihr geht eine allgemeine Wohlfühlwirkung aus, das heißt, sie tut uns gut. Der Wert der Begrünung sollte demnach in der Pflanze und nicht im Gefäß stecken (das ist eventuell z.B. in einer Hotellobby anders).
Ein schlichtes, zurückhaltendes Gefäß mit einer sorgfältig ausgesuchten Farbgebung, das nicht in Konkurrenz zu sonstigen Eirichtungsgegenständen tritt, entspricht unserer Vorstellung und Empfehlung für eine schöne unaufdringliche Bürobegrünung. Aber das liegt im Auge des Betrachtenden und Geschmäcker sind bekanntlich verschieden.
Fazit
Das Gefäß muss gewisse technische Voraussetzungen erfüllen, daran führt kein Weg vorbei. Im besten Fall ist es nachhaltig, der Rest ist Geschmackssache.

Frage 3: Warum hat die Pflanze ein gelbes Blatt, ist sie etwa krank?
Ein gelbes Blatt sollte nicht gleich Anlass sein, die Gesundheit einer Pflanze in Frage zu stellen. Um zu erkennen, ob es ich um einen natürlichen Prozess oder eine Krankheit handelt, lohnt ein genauer Blick. Wenn es sich um ein älteres Blatt, z.B. weiter unten am Trieb handelt und gleichzeitig an der Spitze des Triebes gesunde, neue Blätter austreiben, ist die Pflanze meist nicht krank, sondern entledigt sich eines Blattes, das sie nicht mehr braucht. Dies tut sie vermehrt zu bestimmten Anlässen.
1. Anlass: Der Ortswechsel.
Die Pflanze hat einen Ortswechsel erfahren. Sie stand z.B. in einem Gewächshaus und steht nun in einem Büro. Sie muss ihr System aus Blättern den neuen Bedingungen anpassen. Dazu müssen gewächshausoptimierte Blätter gehen und bürooptimierte Blätter gebildet werden, wir nennen das Akklimatisierung. Die Pflanze trennt sich auch von Blättern, die vorher gut Licht bekommen haben, jetzt aber z.B. durch eine Nachbarpflanze im selben Gefäß beschattet werden.
2. Anlass: Jahreszeitenwechsel.
Der Winter ist auch für Pflanzen im Büro eine nicht einfache Zeit. Immer weniger werdendes Tageslicht und trockene Heizungsluft machen ihnen zu schaffen. Einige Pflanzen reagieren gleich zu Beginn des Winters mit gelben Blättern, andere halten bis Ende des Winters durch. Wenn dann aber alle Lichtreserven des Sommers verbraucht sind, bekommen auch sie gelbe Blätter. In diesem Fall ist dies nicht auf Wassermangel zurückzuführen, eine extra Wassergabe wäre daher kontraproduktiv; hilfreich wäre es, für mehr Licht zu sorgen. Eine Büropflanze, die alle Prüfungen (Frage 1: Warum immer dieselben, bekannten Pflanzen?) bestanden hat, übersteht den Winter gut und beginnt im Frühling schnell, neue Blätter zu bilden.
3. Anlass: Wechsel in der Kulturführung:
Der Wasserhaushalt einer Pflanze ist ein komplexes System, das im Wesentlichen durch Spaltöffnungen in den Blättern und der Wasseraufnahme durch die Wurzel von der Pflanze genau reguliert wird. Verlängert sich z.B. das Gießintervall, muss die Pflanze reagieren und z.B. mehr Wurzeln bilden, um auch noch das letzte Restwasser im Gefäß zu finden. Während dieser Umstellung kann es zu Versorgungsengpässen und vermehrt gelben Blättern kommen. Extrawassergaben würden hier die Gewöhnung an den neuen Gießrhythmus verhindern. Gegossen werden sollte wirklich nur bei akutem Wassermangel!
Fazit
Vermehrt gelbe Blätter sind in der Regel eine natürliche Reaktion der Pflanze auf veränderte Bedingungen (eine eventuelle Erkrankung der Pflanze sollte in jedem Fall abgeklärt werden). Extrawassergaben können gerade bei Lichtmangel kontraproduktiv sein und sollten generell nur gegeben werden, wenn ein eindeutiger Wassermangel vorliegt.

Frage 4: Warum steht die Pflanze gerade hier und nicht dort?
Unter Bürobegrünung verstehen wir nicht die selbstgezogene Avocadopflanze und auch nicht den Weihnachtsstern, der die Feiertage überlebt hat. Hinter einer Bürobegrünung steckt ein übergeordnetes Konzept mit einem Begrünungsziel, in unserem Fall eine ruhige, gleichmäßige Begrünung. Folgende Überlegungen sind dazu erforderlich:
1. Überlegung: Die Möglichkeiten.
An welchen Orten ist eine Begrünung möglich und welche können ausgeschlossen werden. Der begrenzende Faktor ist hier in erster Linie das Licht. Fensterlose Meetingräume in der Mittelzone eignen sich nicht für eine lebendige Begrünung.
2. Überlegung: Wo und wie.
Erstellung von Kategorien und Zuordnung einer Begrünung. Zum Beispiel:
a. Kategorie Öffentliche Bereiche > Individuelle Begrünung, losgelöst vom Bürobereich
b. Kategorie Kommunikationsbereiche >Feste Auswahl verschiedener Pflanzen, die zur Identifikation des Ortes beitragen und sich in Ihrer Art von der Begrünung der Arbeitsflächen absetzen.
c. Kategorie Arbeitsbereich > Ruhige wiederkehrende Begrünung in Verbindung mit der Funktion als Sichtschutz. Installation eines wiederkehrenden grünen Elementes, als „grünes Grundrauschen“ oder „grüne Brise“.
Weitere denkbare Kategorien wären z.B. Teeküchen und Besprechungsräume. Grundsätzlich kann eine Pflanze nahezu jeden Ort positiv beeinflussen.
3. Überlegung: Das Layout.
Das Ziel der Zuordnung wiederkehrender Begrünungselemente ist es, wohltuendes Grün in die Büroräume zu bringen, ohne es in den Vordergrund zu drängen. Gewünscht ist eine ruhige, konzentrierte Arbeitsatmosphäre. Das Grün soll die Mitarbeitenden dezent begleiten, wenn sie sich im Büro bewegen, aber auch Sichtschutzfunktionen übernehmen. Dafür ist eine geschickte Verteilung der Pflanzen in der Fläche erforderlich, nicht zu viel und nicht zu wenig.
Fazit
Hinter einer Bürobegrünung steckt ein übergeordnetes Konzept und ein Planungsziel, z.B. eine ruhige, gleichmäßige Begrünung. Überlegungen zur Auswahl und Platzierung der Pflanzen richten sich nach diesem Ziel und erfüllen ggf. zusätzlich Funktionen wie Sichtschutz.
Bei einer Pilotbegrünung, bei der nur einzelne Teilbereich exemplarisch begrünt sind, ist es etwas schwieriger, das Gefühl einer „Grünen Brise“, die durch das Gebäude zieht, erfahrbar zu machen.

Es gibt sicher noch viele Fragen zu beantworten und das muss auch getan werden, wenn es dazu dient, Akzeptanz für eine Bürobegrünung zu schaffen. Denn nur so kann diese ihre positive Wirkung ganz entfalten und nur dann ist mein Job wirklich erfolgreich gewesen.
Aber ein Büro bleibt ein Büro und der private Raritäten-Dschungel oder der selbstgewählte Minimalismus, ganz ohne Pflanzen, ist eher etwas für die eigenen vier Wände.
In diesem Sinne