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Design und: Wer ist Patrick Nadeau?

17.Mai.2024 | Design mit Pflanzen, P2 Blog

Was ist Pflanzendesign? Wie wichtig ist dabei die Funktionalität? Wirkt eine Pflanze für sich oder benötigt sie unbedingt ein „Designgefäß“? In Zeiten von Biophilic Design rückt die Pflanze bzw. die Natur mehr in den Vordergrund. Naturnahe Designs wie die Arbeiten von Gerhard Zemp (www.aplantis.ch) sind wahrlich ästhetische Meisterwerke. Aber wo bleiben die Designs, die radikal mit Sehgewohnheiten brechen und irgendwie im besten Sinne futuristisch sind? Ist das Kunst? Kann das weg? Lesen Sie weiter, hier geht es um Design.

Pflanzenfieber

Im Frühjahr letzten Jahres besuchte ich eine Ausstellung im Schloss & Park Pillnitz mit dem Titel: „Pflanzenfieber. Botanik, Mensch, Design“.

Diese Sonderausstellung hat einen hohen Anspruch. Sie setzt sich unter anderem mit Klimagerechtigkeit und menschlichem Konsumverhalten auseinander und versucht dabei, das Verhältnis zwischen Mensch und Natur auf eine besondere Art neu zu denken. Dabei werden die klassischen Begrenzungen des Machbaren und Nützlichen zugunsten von Design, Kunst und Schönheit teilweise aufgegeben. So entsteht eine besondere Ausstellung, die unsere Beziehung zur Pflanzenwelt erforscht und darin großes Potenzial erahnen lässt. Dieses Ausstellungsprojekt, das bereits seit mehreren Jahren läuft, ist noch nicht abgeschlossen und wird durch den Auftritt in Pillnitz bereichert.

Ich nahm einen Eindruck von einer ungewöhnlich entgrenzten, gleichzeitig kreativen und intellektuellen Auseinandersetzung mit nach Hause. Dabei eröffnete sich mir ein nicht immer einleuchtender, jedoch hoffnungsvoller und nicht zuletzt schöner Blickwinkel auf das Leben.

In diesem Kontext sah ich eine Arbeit von Patrick Nadeau. Inmitten von „verrückten“ Pflanzgefäßen stand seine Säule „Rocaille“ (patricknadeau.com/projets/#nature-individuelle–rocaille—693) und gleich daneben die Monstera-Gefäße von Tim van de Weerd. Ebenfalls präsent war ein Objekt mit Tillandsia von Goula / Figuera sowie der Pflanzenständer „Albero“ aus dem Jahr 1983 vom legendären Designer Achille Castiglioni in Form eines Baumes, neu aufgelegt von Zanotta.

Rote Pflanzenampel: Albero von Achille Castiglioni, Ausstellung „Pflanzenfieber. Botanik, Mensch, Design“
Tontöpfe: Rocaille 03 von Patrick Nadeau, Ausstellung „Pflanzenfieber. Botanik, Mensch, Design“

Anders als der vielen bekannte Botaniker Patrick Blanc, der mit seinen „murs végétaux“ als Pionier der Verschmelzung von Natur und Architektur gilt, gestaltet Patrick Nadeau keine Fassaden, sondern arbeitet mit Pflanzen im Raum. Viele seiner Arbeiten sind eine Art Haute Couture für besondere Anlässe. Es gibt jedoch auch alltagstaugliche Projekte. Für den Hersteller Authentics entwickelte er das Urban Garden Plantig System mit Säcken, Taschen, Ampeln usw., die vielen von uns bekannt sind. Typisch für Patrick Nadeau ist, dass er für Louis Vuitton eine exklusive Ledervariante entwarf.

Authentics Urban Garden Sac à plantes

Wer ist Patrick Nadeau?

Baunetz-id stellte ihn 2010 wie folgt vor:

„Patrick Nadeau macht Pflanzen zum Designobjekt. Geboren 1955 in La Rochelle, eröffnete er nach seinem Architekturstudium an der Ecole d’Architecture Paris Villemin und einem Post-Graduate-Studium in Industriedesign zusammen mit Christian Ghion 1990 das Designbüro ‚Ghion-Nadeau‘. Als er 1996 zu einer Ausstellung in der Villa Kujoyama nach Kyoto eingeladen wurde, begann er, sich mit zeitgenössischer Gartengestaltung auseinanderzusetzen. Mit seinem eigenen Designbüro, das er 1997 in Paris gründete, entwickelt er seitdem botanische Installationen für Kunden wie Boffi, Hermès, Louis Vuitton bis hin zu Wohnkonzepten für den Immobilienriesen HLM, der den Großteil der Sozialwohnungen in Frankreich verwaltet. Er unterrichtet an der Ecole Camondo in Paris sowie der Ecole des Arts Décoratifs (ESAD) in Reims, wo er einen Lehrstuhl für botanisches Design innehat.“

(Quelle: https://www.baunetz-id.de/menschen/patrick-nadeau-10301987)

2012 wurde ihm eine Monographie von Thierry de Beaumont gewidmet: Végétal Design – Patrick Nadeau. Parallel zu seiner beruflichen Tätigkeit ist er nun Professor an der Ecole Camondo (Le MAD Paris), wo er die Abschlussdiplome mit leitet.

Design und Natur

Die Natur ist eine wahre Schatzgrube für gutes Design. Überall finden sich Vorbilder für die Gesetze und Prinzipien der Ästhetik, Harmonie und Symmetrie, Balance und Proportionen sowie des Kontrastes, der Vielfalt und der Rhythmen. Der Goldene Schnitt und die Einheit in der Mannigfaltigkeit – alles findet sich in der Natur (siehe auch meinen Artikel „Die Schönheit der Wiederholung“). Und natürlich bieten natürliche Lösungen oft überraschend einfache Antworten auf technische Herausforderungen. Heute nennt man das Bionik, ein modernes Wort für das, was schon Leonardo da Vinci faszinierte.

Pflanzen sind auf ihre Art „ewig“. Sie wachsen, säen sich aus und haben verschiedene Möglichkeiten, sich immer wieder zu verjüngen und anzupassen. Im Gegensatz dazu sind gebaute Objekte vergänglich, ihre Obsoleszenz ist vorherbestimmt. Das Verständnis von Dauerhaftigkeit wird hier in Frage gestellt, denn ein Objekt wird nicht im herkömmlichen Sinne stabiler, indem es Pflanzen einbezieht. Das „Organische“ stellt die Stabilität in Frage und verursacht Veränderung, Transformation, Zersetzung usw. Bei der Betrachtung von Natur und Design spielt also der zeitliche Status bzw. die dynamischen Prozesse eine entscheidende Rolle. (Der Umgang mit dieser „Rolle“ wird z.B. in der Disziplin der Gartendenkmalpflege viel diskutiert.)

Die Natur als Vorbild

Natürliche Bilder wie die Wurzeln der Monstera werden von Tim Weerd zu einem gleichnamigen Pflanzgefäß transformiert und übernehmen eine stützende Funktion. Das Pflanzgefäß erscheint stilisiert in elegantem Weiß.

Weiße Töpfe mit Wurzelbeinen: Monstera Fugiens von Tim van de Weerd, Ausstellung „Pflanzenfieber. Botanik, Mensch, Design“

Weniger artifiziell arbeitet Gerhard Zemp. Er überträgt Naturbilder, die er auf seinen Wanderungen fotografiert, in seine Gestaltung. Seine Arbeiten erwecken durch die Verwendung von natürlichen Materialien, Farben und Strukturen das Wesen des Naturvorbildes wieder zum Leben.

Copyright © Gerhard Zemp
All rights reserved – Copyright © Dirk Wiemer
Copyright © Gerhard Zemp
Copyright © Gerhard Zemp

Gerhard Zemp schreibt mir dazu:

„Ich sende Dir die Bilder des Bürolofts von Fischer Immobilien, Zürich.

Klare geometrische Form mit rechteckigen Kuben.

Durch die Schräge und Komposition entsteht ein klares Statement.

Der wilde Bergwald bildet einen harten Kontrast dazu.

Die Gestaltung ist inspiriert durch die vom Gletscher vor Jahrtausenden ins Tal gebrachten Findlinge, welche oft mit Moosen, Farnen und Laub- und Nadelbäumen bewachsen, eigene kleine Biotope bilden.

Die Gruppe bildet einen Raumteiler zwischen Empfang mit Teeküche und den Arbeitsplätzen“

Design durch Kontrast

Viele Designer arbeiten mit einer Dualität, indem sie die Natur als lebendigen Kontrapunkt zur versteinerten Urbanität setzen. Durch einfachen Kontrast können sich die Gegensätze verstärken und die Gestaltung „funktioniert“.

Bei der Auseinandersetzung mit diesem Thema wird eine Eigenheit unserer Kultur offensichtlich: Das Künstliche gegen das Natürliche, Starres gegen Dynamisches, das Laute gegen das Leise usw.

Es sind Künstler, Sozialwissenschaftler, Philosophen und auch der eine oder andere Gärtner (👉 Tipp: „Vom Blühen und Vergehen“, Buch von Marc Hamer), weniger Designer, die sich tiefergehend mit der Dualität, besser gesagt der Wechselbeziehung, zwischen Mensch (Menschengemachtes) und Natur beschäftigen.

Ich würde mir wünschen, dass immer mehr Designer (wie z.B. Gerhard Zemp oder der verstorbene Architekt Hinrich Baller) die Stadt bzw. Architektur nicht als getrennte Orte von Natur betrachten und ein Konzept der Integration von Natur und menschlicher Kunstfertigkeit verfolgen. Viel zu häufig nehme ich unsere Innenraumbegrünung als „Notpflaster“ für eine zunehmende Unterversorgung mit lebendiger Natur wahr (siehe auch meinen Artikel: Biophilic Design – der Wunsch nach Natur).

Design oder Kunst?

Pflanzeninstallation "Jungle King" Pflanzen in Sesseln
’Jungle King’ Anthurium crassinervium (A. elipticum) I Pflanzeninstallation II Spurensuche ’Kegelbahn’ I Wandzeitung (Ausschnitt) Quelle: KUNST- UND LUSTGÄRTNEREI® Im Schlosspark Schleißheim, http://kunst.kunst-undlustgaertnerei.de/kunst2/EMS_Gesellschaftsgarten.html

Wo ist jetzt die Grenze zwischen Kunst und Design? Ganz einfach: Design hat eine Aufgabe zu erfüllen und besitzt somit eine klare Daseinsberechtigung. Kunst hingegen hat keine spezifische Aufgabe (muss keinen bestimmten Zweck erfüllen), sondern vermittelt eher eine Botschaft und steht für sich selbst. Noch einfacher ausgedrückt: Kunst ist subjektiv, Design ist objektiv.

Der Künstler Martin Weimar verpflanzt Zimmerpflanzen in ein Sofa. Dieses Sofa dient als Ausstellungsstück in einer Kunstausstellung und hat keinen Gebrauchswert – es ist Kunst. Ich habe Herrn Weimar durch einen Artikel in der Zeitschrift „mundus“ von 2016 entdeckt (Artikel: „Pytophelie – Warum Pflanzen schön sind und wir sie lieben“). Er ist Künstler und Gärtner, ein „Kunstgärtner“. Seine Arbeiten sprechen mich sehr an, sie sind wundersam und interessant. Man spürt eine tiefe inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Wesen der Pflanzen. Im Vergleich dazu erscheinen mir so manche Pflanzendekorationen seelenlos und eindimensional.

Gefäßdesign

Beispiel 1 Die Spindel 

Der Schweizer Möbeldesigner und Vertreter des Neofunktionalismus Willy Guhl schuf das Pflanzgefäße „Die Spindel“ (Entwurf 1951 zusammen mit Anton Bee). 

Als Pionier des modernen Designs entwarf Willy Guhl weltbekannte Möbel wie den Eternit Strandstuhl. Seine Entwürfe verstehen sich als Gegenentwurf zu volkstümlicher, traditioneller, im Prinzip „völkisch“ miefiger Gestaltung und sind dabei ganz auf die Bedürfnisse der Menschen abgestimmt. 

„Denken mit den Händen“ heißt ein Buch über seine Arbeiten. Die Spindel ist ein Meisterwerk, eine Ikone der Moderne. Für Originale werden hohe Preise verlangt. Durch seine radikale Modernität ist das Gefäß noch heute ein echtes Statement.

Die Spindel von Willy Guhl 

Beispiel 2 Die Georgia Vase

Der Keramikdesigner Jonathan Adler schuf eine ganze Serie provokanter Stücke, die aus Reliefs von nackten weiblichen Brüsten bestehen. Er benannt sie nach der amerikanischen Künstlerin Georgia O‘Keeffe.

Jonathan Adler gehört zu den großen Namen der zeitgenössischen Interior Szene in den USA. Seinen glamourösen, extravaganten und avantgardistischen Stil nennt man heute „happy Chic“. 

Die Georgia Vase erinnert mich an die Zeit der Renaissance, speziell den Garten der Villa d’Este in Tivoli, mit dem „Brunnen der Mutter Natur“. Eine Staute mit unzähligen Brüsten, aus denen Wasser spritzt. 

Die Sinnlichkeit von O`Keffe als Inspiration, ein manierierter, fröhlich unbeschwert Stil, der mich an die Lust und Erotik der Renaissance erinnert, all das zeichnet die Georgia Vase aus, wie auch immer man dazu stehen mag. Sie ist so ausdrucksstark, dass sie nicht unbedingt eine Pflanze als Partnerin braucht. 

Georgia Vase von Jonathan Adler

Beispiel 3 Viride

Von dem spanische Designerpaar Pablo Figuera und Álvaro Goula aus Barcelona stammt ein besonders Pflanzgefäß, es heißt „Viride“ (Grün). Besonders deshalb, weil es sich ganz nach den Bedürfnissen der Pflanzen richtet. 

Das Design von Studio Goula/Figuera besteht darin, durch sorgfältige Materialauswahl und gut überlegte Funktionalität eine angenehme Ästhetik entstehen zu lassen. Ihre Arbeiten sind elegant und trotz Schlichtheit raffiniert. Für Ihre Arbeiten hat Studio Goula/Figuera bereits viele Preise und Anerkennungen erhalten. 

Viride ist eine Bühne für die Pflanze. So entsteht laut der Designer eine neue „Objekttypologie“.  Bei diesem Design steht die Pflanze im Mittelpunkt, Gefäß und Technik dienen ihr. Ein Design speziell für die Pflanze.

Viride - Pflanzengefäß
Pflanzengefäß „Viride“ Quelle: GOFI Home Adventures, Goula / Figuera Studio, https://www.goulafiguera.com/works/viride/

Gutes Design

Gutes Design wurde früher meist mit Haltbarkeit und Stabilität verbunden, z.B. der klassische Blumentopf: Stabil durch verstärkten Rand, stapelbar usw. 

Heute sind die Anforderungen gewachsen. Wer Pflanzen z.B. in Arbeitsplätze integrieren möchte, muss sich mit Konzepten wie Flexibilität, Modularität oder „Transformbarkeit“ auseinandersetzen. Dabei verfolgt das Design ein Ziel, will etwas schöner und angenehmer, ästhetischer, einfacher oder einfach nur praktischer machen. Damit richtet sich das Design an eine Adresse, und das müssen nicht immer wir Menschen sein. Auch Pflanzen verdienen gutes Design!

Sexspielzeug für Pflanzen

„Schauen wir auf unsere Welt und betrachten die Bedeutung der Pflanzen im Großen und Kleinen (und ganz Kleinem), können wir zu einer erstaunlichen Erkenntnis gelangen: eigentlich sollten wir von einem menschenzentrierten Design zu einem pflanzenzentrierten Design wechseln. Dieser Designansatz soll über die Instrumentalisierung und Mechanisierung von nicht menschlichem Leben hinausgehen“ (Quelle: Infotafel Ausstellung „Pflanzenfieber. Botanik, Mensch, Design“. 2023 Pillnitz. 

Auch das ist eine wichtige zentrale Botschaft der Ausstellung in Pillnitz. 

Nur konsequent war es deshalb, dass die ersten Entwürfe und Ideen zum Design von Sexspielzeug für Pflanzen gezeigt wurden. Und das ist auf eine philosophische Weise durchaus ernst gemeint.

Liebe Pflanzen, ich wünsche Euch von ganzem Herzen viel Spaß damit!

In diesem Sinne 

Bis bald 

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